Was bedeutet es, ein diplomierter Psychologe zu sein?

Zur Vorbereitung auf den studentischen Beitrag zur Diplomfeier 2007 haben Sabine Czenna und Philipp Heß eine Umfrage unter den Diplomierten des Jahrgangs 2007 durchgeführt zum Thema:

„Was bedeutet es für mich, ein diplomierter Psychologe zu sein? Zwar legen wir keinen Hippokratischen Eid ab, dennoch tragen wir eine gesellschaftliche Aufgabe / Verantwortung?“

Die Antworten habe ich jetzt von den beiden bekommen und finde sie ganz interessant, da ich schon seit längerem darüber nachgedacht habe, ob wir nicht unseren Absolventinnen und Absolventen ein Berufsversprechen abnehmen sollten (einen Hippokratischen Eid für Psychologen gibt es ja nicht), ihr erworbenes Wissen zum Wohl der Menschheit einzusetzen. Hintergrund für mich ist die Beobachtung, an wie vielen Stellen unser Fachwissen zum Nachteil von Betroffenen eingesetzt wird – Günter Wallraffs Film „Bei Anruf Abzocke“, in dem er die Psychotricks der Telefonwerbung kritisiert, zeigt z.B. solche missbräuchlichen Anwendungen sehr deutlich. Aber auch der Einsatz amerikanischer Militärpsychologen in Guantanamo wirft die Frage nach der ethischen Verantwortung unseres Faches auf.

Hier sind die anonymen Antworten von 20 Personen aus der Schar des 2007-Jahrgangs auf die oben genannte Frage:

  1. Ich finde dieses Rollendenken ziemlich blöd. Ein Psychologe sollte in gesellschaftlicher Hinsicht all das geben, was einen ‚guten‘ Bürger ausmacht – Empathie, Engagement, Courage… Doch vielleicht ist es genau dieses Rollendenken, was uns das Ohr der Gesellschaft verleiht – und somit einfach stärker als positive ‚Gesellschaftsmodelle‘ wirken zu können.
  2. Ich bin froh, so einen tollen Beruf zu haben, der soviel mit Menschen zu tun hat, & soviele Schicksale erfahren darf & hoffe soviel wie möglichen Leuten weiterhelfen zu können und deren Lebensqualität hoffentlich auch zu verbessern durch meine Arbeit.
  3. M.E. trägt jeder eine gesellschaftliche Verantwortung.
  4. Diplomierte Psychologin zu sein bedeutet für mich, meinen Traumberuf ausführen zu dürfen. Ich glaube, dass der Bedarf an psychologischer Hilfe groß ist und es eigentlich selbstverständlicher sein müsste, diese in Anspruch zu nehmen.
  5. Denke schon, dass wir gesellschaftliche Verantwortung tragen. Für mich bedeutet es, anderen Menschen in schweren Situationen und Lebensumständen beistehen zu können und gemeinsam mit ihnen Lösungswege und positive Zukunftsaussichten zu erschaffen.
  6. Auch nichts anderes als ein anderer Beruf, weil ich immer nach meinen moralischen Vorstellungen handeln werde; trifft eher auf klinische Psychologen zu.
  7. Ich bin stolz auf die Leistung, das Studium abgeschlossen zu haben. Einen besonderen Wert auf den Titel lege ich aber nicht.
  8. Ich fühle mich, zumindest ohne Therapie-Ausbildung und entsprechende Erfahrungen, nicht in der Position, anderen Menschen in Krisen-Situationen „qualifizierteren“ Rat zu geben, als ich es auch ohne Studium würde. Ich denke, eine gewisse Verantwortung als Psychologe hat man dennoch, wenn es darum geht, Menschen etwas von dem Wissen weiterzugeben, das die psychologische Forschung erlangt (hat) und das die Öffentlichkeit in der Regel nicht erreicht, auch wenn das sinnvoll wäre.
  9. Ich freue mich darüber, was ich erreicht habe, bilde mir darauf allerdings nicht viel ein. Für das Diplom kann ich mir noch nichts kaufen. Wir tragen gesellschaftliche Verantwortung wie jedes andere Mitglied dieser Gesellschaft auch, das Diplom macht da keinen Unterschied.
  10. Ich bin verdammt stolz, es soweit geschafft zu haben! wichtiger beruf, großer bedarf an psychologen heutzutage, aber leider werden viele steine in weg gelegt (zu wenig stellen angeboten, geld investiert, zu viel gefordert: v.a. therapeutenausbildung -> dass man ohne im klinischen und pädagogischen bereich so wenig chancen hat, obwohl man schon eine so lange ausbildung absolviert hat und viele qualifikationen erworben hat), große verantwortung, v.a. im klinischen bereich.
  11. Wir haben die gleiche soziale Verantwortung, wie sie jeder gegenüber seinen Mitmenschen haben sollte.
  12. Echt? welche verantwortung? ich fühl mich bloß wegen dem studium auch nicht besser qualifiziert, irgendjemand einen rat zu geben.
  13. Hege keine „moralischen Gefühle“; eher: als Psychologe in Kongruenz mit dem Wissen über Methoden, Denken/Schlussfolgern etc.
  14. Diplomierte Psychologin sein = nicht nur ein Beruf für mich, sondern Lebensstil und vor allem Dipl-Psych-Denkstil (Toleranz, Empatie, Verständnis und Hilfestellungen falls erwünscht).
  15. Fühl mich verantwortlich, sobald jemand sagt, „ich hab da ein Problem“, besonders aktuell ist für mich Arbeit mit Kindern (Armut, Amoklauf etc.).
  16. Ein großes Etappenziel auf einem langen, langen Ausbildungsweg erreicht zu haben. Ganz gewiss tragen wir Verantwortung – ohne Eid!
  17. Das fällt sicher je nach Art der Berufstätigkeit etwas anders aus – das mit der Verantwortung – aber sicher auch – das allgemeine voreingenommene Bild von einem Psychologen zu korrigieren durch Selbstverständnis, Auftreten und Vielfältigkeit der Blickwinkel etc.
  18. Ich finde, unsere Hauptverantwortung liegt vor allem darin, unser Fach adäquat nach außen zu vertreten, und zwar nicht als „Laber-Beruf“, sondern indem wir belegen und immer wieder hervorheben, dass die Psychologie der Wissenschaft verpflichtet ist und wir als Therapeuten oder auch als Psychologen unsere Arbeit und Stellung in der Gesellschaft kritisch hinterfragen und überdenken und noch offenstehende Aspekte v.a. in der therapeutischen Arbeit noch wesentlich wissenschaftlicher fundieren. Und nicht jeder so sein „eigenes Süppchen“ braut. Nur so erlangen wir als Psychologen auch bei anderen Berufsgruppen und auch in der Gesellschaft die Glaubwürdigkeit und den Respekt, die wir brauchen.
  19. Hoffentlich gute Menschenkenntnis und Empathie über das „normale“ Maß hinaus.
  20. Zur Zeit behandle ich meine ersten Patienten und lerne gerade viel über Verantwortung. Ich glaube auf jeden Fall, dass wir eine gesellschaftliche Verpflichtung haben, uns auch für einen der psychischen Gesundheit förderlicheren Umgang in der Gesellschaft insgesamt einzusetzen.

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